Die Schützengesellschaft Adorf 1514 e.V.
Das Schützenwesen geht mit seinen Anfängen auf die mittelalterliche Wehrverfassung der Städte und des Landes zurück. Auch Adorf mit seinen Verteidigungsanlagen
wird schon recht früh auf
die „wehr- und waffenfähigen“ Männer zurückgegriffen haben, um in Notzeiten alle Plätze in den Burgen, an den Toren und der Mauer, die sich rund um Kirche und Kirchhof herumzog, besetzen zu können.
Eine Verteidigungsbereitschaft in kritischen Tagen setzte Wehrbereitschaft und Waffenausbildung in Friedenszeiten voraus. Diese Schützen fanden sich auch vielfach zu kirchlich organisierten
Bruderschaften zusammen. Später waren diese „Bürgerwehren“ durch die
Weiterentwicklung von Strategie, Taktik und Waffen allmählich überflüssig geworden.
Schon im Jahr 1514 wird in Adorf eine „Bruderschappe unße lieven Frouwen und Sinte Johannis der Parkerken to Adorpp“ genannt. Sie ist der Vorläufer der heutigen Historischen Schützengesellschaft Adorf 1514.e.V.
Die Waldeckischen Landordnungen jener Zeiten schreiben vor: „Es soll jedermänniglich sich mit seiner gesetzten Wehr, Rüstung, Pulver und Loth, inmaßen er von den
Beamten darauf gesetzt
wurde, in guter Bereitschaft halten und sich finden lassen, und ein jeder Schütz soll mit 1 Pfund Pulver und 20 Kugeln jeder Zeit gefaßt seyn, bey Verlierung der untüchtigen Wehren und 3 Rthlr.
Strafe“. Eine solche Musterung der Waffen führten der „Landrichter“ und der „Landtknecht“ Enoch Pauli im Jahr 1603 im Kirchspiel Adorf und Heringhausen durch. Die Akten des Gogerichtes Flechtdorf
melden aus dem Jahr 1616, dass „Lucas Bergmann den Stentzell Fresen zu Adorf bei dem Freischießen geschlagen“ habe, wie „solches Johann Hallenbergs bezeugett“ habe. Dieses „frei Gesellen Schießen“
ist uns urkundlich überliefert, es wurde damals von „dem Gräflich
Waldeckischen Amtmann zum Eisenberge“ zuvor genehmigt.
Die alten Schützenordnungen spiegeln die satzungsmäßige Gründung und die wohl auf langer Tradition beruhenden Gepflogenheiten wider. Sie bringen zum Ausdruck, wie
innig die Dinge der
Schützenbruderschaft mit öffentlich-rechtlichen Dingen der Gemeindeverwaltung verquickt waren, ein Zeichen dafür, dass das Schützenwesen ursprünglich auch einmal echte hoheitsrechtliche Aufgaben zu
erfüllen hatte, nämlich die Verteidigung der Heimat. Urkundlich belegt ist, dass 1655 die Adorfer Schützengesellschaft kurz nach Beendigung des 30jährigen Krieges wieder gegründet wurde.
Leider ist das alte Chronikbuch des Vereins mit seinen für die Vereins- und Dorfgeschichte so wertvollen Aufzeichnungen verlorengegangen. Die Adorfer betrachteten es als Ehrensache, dem Verein als Mitglied anzugehören. Das neue Mitglied hatte sich „einzukaufen“ und einen bestimmten Jahresbeitrag zu entrichten. Im Jahr 1663 zählte der Verein 65 Mitglieder, im Jahr 1718 insgesamt 170. Im Jahr 1716 war der „Durchlauchtigste Fürst, unser gnädiger Landesvater unser König“ geworden. Anlässlich einer Versammlung am 07.06.1722 spendierte er „zwey Ohm Bier und eynen Hammel“. Stand ein Schützenfest bevor, wurden die „Dienstgrade“ gewählt und die für die Durchführung des Festes notwendigen Vorbereitungen getroffen.
Zum Vermögen des Vereins rechnete in früheren Zeiten auch ein nicht unbedeutender Bestand an Ländereien. Das Salbuch des Jahres 1714 nennt uns „Schützenland“- jedoch ohne Angabe der Größe - welches „Hinterm Winsenberg“, „ufm Tockel“, „Am Hennel“, „Am Henel Knapp“, „Oben in der Hundegrube“, „Am Eschkensteine“ sowie „Unterm Heßel“ gelegen war. Bei letztgenanntem Grundstück war der „Schützengarten“ gelegen. Weiterhin wird „gemeindeeigenes Schützenland“ genannt „Ufm Winsenberge“ = 6 Morgen; „Am Winsenberg“ = 1 Morgen; „Uf der Hameke“ = 2 Morgen; „Vorm Martenberg“ = 1 ½ Morgen und „Vor der dünnen Hecke“ mit 2 Morgen. Die Bezeichnung „Uf der Gecksbrede“, hier lagen 4 Parzellen mit zusammen 3 ¼ Morgen und 38 Ruthen Land, lässt den Schluss zu, dass man bereits damals des „Geck“, den Spaßmacher, die lustig, närrische Figur im Festgetriebe kannte. Selbst in der Gemarkung Benkhausen hatte der Verein Grundbesitz; das Salbuch nennt uns im Jahr 1805 „1 ½ Morgen am „Buschholz“ als Adorfer Schützenland.
Ein Bericht liegt uns vom Freischießen 1837 vor. Direkt vor dem Fest wurde am 18. Juni ein Grenzbegang – die sogenannte „Schnade“ – durchgeführt und zwei neue Fahnen
angeschafft. Diese
beiden Fahnen werden noch heute vor der Männer- und Burschenkompanie in den Festzügen mitgeführt. Die Gemeinde hat sich damals noch an den Kosten des Festes beteiligt.
Nach dem Freischießen 1837, bei dem der „Haus- und Ackermann, auch Dorf- und Kirchspielrichter“ Bernhard Bunte Schützenkönig wurde, wird erst wieder nach 37 Jahren von
einem Schießen, nun
unter der Bezeichnung „Schützenfest“ berichtet. 1874 wird der Sohn Christian Bunte sein Nachfolger. In seiner Inschrift auf dem Kleinod weist er auf die unruhigen Zeiten hin: …“Gestorben ist der
alte König Bernhard Bunte und noch wenig seiner Gnaden sind vorhanden, die heut zusammen sich fanden. Von allen früheren Herrlichkeiten, wurd gerettet noch bei Zeiten, dieses Kleinod und
fürwahr: Treu soll ihm bleiben diese Schar. Tretet heran ihr Schützen der Gilde! Trinkt diesen Stoff, so schäumend und milde. Ich hab ihn gebraut, der Sohn von dem Alten und will heut statt Seiner
das Amt hier verwalten“ ,Christian Bunte, 28. Juni 1874.
In die Zeit zwischen diesen beiden Festen fiel unter anderem die Deutsche Revolution von 1848, der Beginn der preußischen Katastervermessung und der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71.
Von nun an werden auch die Schützenländer nicht mehr erwähnt. Es wird sogar spekuliert, ob dieses mit dem Verschwinden des alten Chronikbuches zusammenhängt. Noch im
Jahr 1933 gab es
einen öffentlichen Aufruf in der Beilage „Mein Waldeck“ der Waldeckischen Landeszeitung, in dem die Bevölkerung aufgerufen wurde, nach dem Protokollbuch zu suchen.
Ab 1874 werden jedenfalls in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen wieder Schützenfeste gefeiert. Seit dem Jahr 1911 wird eine weitere Fahne im Festzug mitgeführt.
König Wilhelm Lahme,
genannt Stolte, stiftete diese Fahne, die heutige „Alte Königsfahne“ zum Ende seiner Regentzeit. Sein Nachfolger wurde Carl Erlemann. Während des 1. Weltkrieges fiel das Schützenfest aus. So nimmt im
Jahr 1921 neben Carl Erlemann erstmals eine Schützenkönigin in einer Kutsche im Festzug teil.
1928 wurde auf dem Dansenberg durch die Schützengesellschaft eine große Turn- und Schützenhalle errichtet. Es soll der erste Holznagelbinderbau in Deutschland gewesen sein. Doch die finanziellen Belastungen waren zu hoch um Zinsen und Tilgung tragen zu können. Im Jahr 1944 wurde die Halle an die Gemeinde übergeben und weiterhin für alle dörflichen Feste sowie vom Turnverein weiter genutzt. 1978 wurde sie abgerissen und an der gleichen Stelle durch eine neue Mehrzweckhalle ersetzt.
1938 wurde Georg Schluckebier neuer Schützenkönig. Leider musste von 1938 bis 1952 während des Weltkrieges und der Nachkriegszeit die Vereinstätigkeit ruhen. Der
danach gewählte Vorstand
mit Christian Steinhard, Georg Schluckebier, Christian Erlemann (Happe) und Wilhelm Schluckebier blieb 20 Jahre ununterbrochen im Amt und legte das Fundament für einen neuen Aufschwung. Ab 1952 wurde
erstmals auch ein Schülerkönig ausgeschossen und eine regelmäßige Festfolge alle fünf Jahre in Abstimmung mit den befreundeten Nachbarvereinen eingeführt. Die alte Tradition der Schnadezüge wurde mit
Beginn der 1970iger Jahre wieder aufgenommen. Bis heute erfreuen sich diese Gänge entlang der historischen Gemarkungsgrenzen großer Beliebtheit.
Auch ein Verein, dessen traditionelle Wurzeln als Männervereinigung in der Geschichte liegen, muss sich den Entwicklungen der Gesellschaft anpassen, um attraktiv für die eigene Dorfgemeinschaft und für Besucher zu bleiben. So sind seit 1982 verstärkt auch Frauen – nicht nur als Ehrendamen – fester Bestandteil des Festzuges.
1987 werden anlässlich der Festtage erstmals wieder die großen Dorftore (Heimberg- und Mühlentor, das Kahlenbergtor folgt 1992) aufgestellt, welche an die historischen Tore zur Sicherung der früheren Ortseingänge erinnern sollen. Zahlreiche vereinseigene Uniformen wurden angeschafft, außerdem führen seit diesem Jahr die Mitglieder der Geschützgruppe „St. Johannis“ ihre große Kanone im Festzug mit. Die große Beteiligung an Pferden ist ein besonderes Merkmal der Festzüge. Eine neue Schützenfahne wurde zu diesem Freischießen feierlich übergeben und geweiht. Zwei Jahre später beim 475jährigen Jubiläum haben die örtlichen Vereine als Zeichen der Verbundenheit ein kunstvoll besticktes Fahnenbanner hinzugefügt. Schließlich wurde eine Festschrift über die Vereinshistorie veröffentlicht.
Um die Jugend noch stärker einzubinden, wird seit 1997 auch ein Burschenkönig ausgeschossen und der Verein präsentiert sich auf einer eigenen Internetseite. Im Jahr 2010 zählte der älteste Adorfer Verein 490 Mitglieder.
Wenn sich inzwischen auch die eigentliche Aufgabenstellung der Schützengesellschaften gewandelt hat, sie bleiben beisammen. Der Tradition, der Geselligkeit und Heimatverbundenheit verpflichtet.
Quelle:
A. Emde